Solingen nach dem Anschlag: In die Trauer mischt sich Zorn
In der Stadt Solingen herrscht nach dem schweren Anschlag auf eine Familie eine Atmosphäre der Trauer und des Zorns. Die Bewohner der Stadt sind schockiert und empört über die grausame Tat, die fünf Menschenleben forderte. Die Frage nach dem Warum beschäftigt die Menschen und die Polizei ist noch auf der Suche nach dem oder den Tätern. Die Stadt versucht, mit der Trauer umzugehen und sich zugleich mit dem Zorn auseinanderzusetzen, der sich breit macht. Es ist ein schwerer Weg, den die Menschen in Solingen jetzt gehen müssen.
Der Blumenladen als Zeichen der Trauer
Zwei Verkäuferinnen stehen an der Theke und binden schweigend kleine Sträuße aus dem, was noch übrig ist. Denn dort, wo sonst Rosen und Nelken, Gerbera und Chrysanthemen stehen, herrscht jetzt gähnende Leere. Nach dem Attentat, bei dem während des Stadtfestes am Freitag ein Mann drei Menschen getötet und acht verletzt hat, haben viele Solinger in diesem Geschäft Blumen gekauft, um sie als Zeichen der Trauer neben der Stadtkirche am Fronhof niederzulegen – nur wenige Schritte vom Tatort entfernt.
Überlegungen zum Zöppkesmarkt
Der Solinger Zöppkesmarkt gilt als der größte Straßentrödelmarkt in NRW und ist in diesem Jahr für den 13. bis 15. September angekündigt. Initiativkreis Solingen und Stadtverwaltung würden jetzt jedoch bereits überlegen, ob und in welcher Form der Zöppkesmarkt in diesem Jahr stattfinden kann.
Trauer und Empörung in Solingen
Kerzen, Schilder und Blumen – der Ort der Trauer neben der Stadtkirche zieht viele Menschen an. Unter den Augen einer Vielzahl von Polizisten legen Menschen Sträuße nieder, verharren für einige Minuten, stellen Kerzen auf und helfen einander, sie anzuzünden. Es ist regelrecht zu spüren, wie dünnhäutig die Menschen derzeit sind, wie gern sie einander stützen wollen und doch zugleich auch selbst Trost brauchen.
Es ist ein Bild, das derzeit um die Welt geht: Ausgerechnet dort, an der Kirche, hatten sich die Solinger Stadtgärtner mit der Beetbepflanzung ganz besondere Mühe gegeben. Begonien bilden den Schriftzug „SG 650“ – Hinweis auf den Anlass des Festes. Es sollte der 650. Geburtstag der Stadt Solingen gefeiert werden.
Politiker in Solingen
Unweit des Trauerortes steht auf dem Fronhof eine Menschenmenge. Viele recken die Hälse, um über die große Gruppe von Journalisten hinwegsehen zu können. Absperrungen und noch mehr Polizisten halten sie dabei auf Abstand: Dort, wo noch die Bühne steht, vor der das Attentat geschah, soll gleich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auftauchen.
Empfangen wurde er mit Pfiffen und Buhrufen. Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), seine Stellvertreterin Mona Neubaur (Grüne) und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sind gekommen. Ihre Chauffeure warten neben schwarzen, in der Sonne glänzenden Limousinen, unterhalten sich miteinander.
„Wir, der Kurdische Verein in Solingen, verurteilen dieses abscheuliche Verbrechen und das terroristische Verhalten zutiefst“, ist in einem Briefumschlag einer Solidaritätsbotschaft zu lesen, die sie Oberbürgermeister Tim Kurzbach übergeben wollen.
Politiker geben keine Antwort
Die Solinger warten währenddessen geduldig an der Absperrung. Dass der Kanzler mit Buhrufen empfangen wurde, „finde ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Ordnung“, sagt Rainer Schmitz. Doch für den Unmut habe er auch Verständnis: „Man hört immer, wir kümmern uns, alle Schärfe des Gesetzes wird angewandt. Aber ich habe den Eindruck, wenn das weiter so geht, dass das wieder im Sande verlaufen wird.“
Warum? „Weil nichts passiert. Der Kanzler hält eine Rede, zeigt Anteilnahme, aber es passiert doch sowieso nichts. Was will der überhaupt hier?“ Klar wird: Das Entsetzen und Unverständnis darüber, dass der Täter abgeschoben werden sollte, dann aber untertauchen und in Solingen wieder auftauchen konnte, ist groß.
Gerne hätten die Solinger dazu Antworten gehört, vom Kanzler, vom Ministerpräsidenten. Doch die ziehen vor die Journalisten und geben dort ihre Stellungnahmen ab. Die Wartenden bekommen sie nicht zu Gesicht.
„Lasst die Menschen in Ruhe, lasst diese Stadt in Ruhe“, sagt Hendrik Wüst in die Mikrofone der Journalisten. Doch auch das können die Solinger nicht hören. Erst, als sich die schwarzen Limousinen in Bewegung setzen, wird klar: Die Politiker sind wieder fort. Ohne zur Menge ein Wort der Begrüßung, der Erklärung oder des Trostes zu sagen.
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